Mittwoch, 1. April 2009
1.1 Heimweh und Einsamkeit
Törleß ist mit frühreifer Intelligenz begabt, aber charakterlich noch nicht gefestigt.
Er ist noch stark von seinen Eltern abhängig und versucht mit dem schmerzhaften Gefühl des Heimwehs fertig zu werden, indem er Briefe an sie schreibt. So will er aus der ihm eintönig erscheinenden Wirklichkeit fliehen, mit der er noch nicht zurechtkommt.
Der Erzähler relativiert allerdings Törleß' Heimweh-Gefühl und teilt mit, dass sein Schmerz allmählich zum Selbstzweck wird und sich von dem Bild der Eltern löst. Törleß empfindet den Schmerz als lustvoll, denn so fühlt er sein eigenes Ich stärker. Mit der Zeit schwindet der Schmerz und ein Gefühl der Leere tritt ein. Er erkennt, dass ihm "etwas Positives, eine seelische Kraft" (11) abhanden gekommen ist, die er als "Heimweh" kultiviert hatte. Er fühlt sich "verarmt und kahl" (11). Der Erzähler weist darauf hin, dass dies der "erste, missglückte Versuch" von Törleß gewesen sei, "die Kräfte des Inneren zu entfalten" (12).
Freundschaft mit einem sehr religiösen und sensiblen Prinzen: der Erzähler bezeichnet diese Freundschaft als "charakteristisch" (12) für Törleß' spätere Entwicklung.
Diese Freundschaft ist für Törleß zuerst "Quelle eines feinen psychologischen Genusses" (13). Aber es kommt zum Bruch, weil Törleß die Religiosität des Prinzen nicht versteht und sie mit dem Verstande angreift. Die eine Seite seines Wesens, die Rationalität, zerstört diese Beziehung.
Die andere Seite von Törleß' Charakter, die der Prinz verkörpert, ist noch nicht ausgebildet.
Törleß zerstört den Bereich, der ihm fehlt. Zurück bleibt ein Gefühl der Leere und der Langeweile. Er bedauert den Verlust von etwas Wertvollem, dass er allerdings noch nicht begreift.
Törleß' Gefühl der Leere und der Langeweile zeigt sich deutlich in der Abschiedsszene auf dem Bahnhof. Der Abschied von den Eltern lähmt ihn. Das Leben im Institut bringt keine Abwechslung, es ist ihm "völlig gleichgültig" (18) und lässt ihn innerlich "leer" bleiben (30).
Beineberg gegenüber begründet er das "Gefühl des Allein-und Verlassenseins" (32) und der "Einsamkeit" (33), das ihn überkommt, mit einem Kindheitserlebnis: Als er im Wald spielte und das Dienstmädchen sich entfernt hatte, fühlte er sich "verlassen von den Großen" (31).
Seine Einsamkeit erscheint Törleß als Verkörperung einer gesichtslosen Frau. Diese "Herrin [...] der schwarzen Scharen" hat für ihn den "Reiz eines Weibes und einer Unmenschlichkeit" (33). Sie erscheint ihm als Verführerin wie auch als Frau, von der Bedrohung für ihn ausgeht. In diesen Gefühlen bereitet sich sein sinnliches Begehren vor.
Die Entfremdung vom Elternhaus und damit der Verlust der familiären Geborgenheit ist kennzeichnend für seine Entwicklungsphase, die Pubertät. Er fühlt sich von ihnen nicht verstanden (Brief bzgl. Basini).
Auch seine Mitschüler verstehen ihn seiner Meinung nach nicht, ebenso die Lehrer.
Er ist noch stark von seinen Eltern abhängig und versucht mit dem schmerzhaften Gefühl des Heimwehs fertig zu werden, indem er Briefe an sie schreibt. So will er aus der ihm eintönig erscheinenden Wirklichkeit fliehen, mit der er noch nicht zurechtkommt.
Der Erzähler relativiert allerdings Törleß' Heimweh-Gefühl und teilt mit, dass sein Schmerz allmählich zum Selbstzweck wird und sich von dem Bild der Eltern löst. Törleß empfindet den Schmerz als lustvoll, denn so fühlt er sein eigenes Ich stärker. Mit der Zeit schwindet der Schmerz und ein Gefühl der Leere tritt ein. Er erkennt, dass ihm "etwas Positives, eine seelische Kraft" (11) abhanden gekommen ist, die er als "Heimweh" kultiviert hatte. Er fühlt sich "verarmt und kahl" (11). Der Erzähler weist darauf hin, dass dies der "erste, missglückte Versuch" von Törleß gewesen sei, "die Kräfte des Inneren zu entfalten" (12).
Freundschaft mit einem sehr religiösen und sensiblen Prinzen: der Erzähler bezeichnet diese Freundschaft als "charakteristisch" (12) für Törleß' spätere Entwicklung.
Diese Freundschaft ist für Törleß zuerst "Quelle eines feinen psychologischen Genusses" (13). Aber es kommt zum Bruch, weil Törleß die Religiosität des Prinzen nicht versteht und sie mit dem Verstande angreift. Die eine Seite seines Wesens, die Rationalität, zerstört diese Beziehung.
Die andere Seite von Törleß' Charakter, die der Prinz verkörpert, ist noch nicht ausgebildet.
Törleß zerstört den Bereich, der ihm fehlt. Zurück bleibt ein Gefühl der Leere und der Langeweile. Er bedauert den Verlust von etwas Wertvollem, dass er allerdings noch nicht begreift.
Törleß' Gefühl der Leere und der Langeweile zeigt sich deutlich in der Abschiedsszene auf dem Bahnhof. Der Abschied von den Eltern lähmt ihn. Das Leben im Institut bringt keine Abwechslung, es ist ihm "völlig gleichgültig" (18) und lässt ihn innerlich "leer" bleiben (30).
Beineberg gegenüber begründet er das "Gefühl des Allein-und Verlassenseins" (32) und der "Einsamkeit" (33), das ihn überkommt, mit einem Kindheitserlebnis: Als er im Wald spielte und das Dienstmädchen sich entfernt hatte, fühlte er sich "verlassen von den Großen" (31).
Seine Einsamkeit erscheint Törleß als Verkörperung einer gesichtslosen Frau. Diese "Herrin [...] der schwarzen Scharen" hat für ihn den "Reiz eines Weibes und einer Unmenschlichkeit" (33). Sie erscheint ihm als Verführerin wie auch als Frau, von der Bedrohung für ihn ausgeht. In diesen Gefühlen bereitet sich sein sinnliches Begehren vor.
Die Entfremdung vom Elternhaus und damit der Verlust der familiären Geborgenheit ist kennzeichnend für seine Entwicklungsphase, die Pubertät. Er fühlt sich von ihnen nicht verstanden (Brief bzgl. Basini).
Auch seine Mitschüler verstehen ihn seiner Meinung nach nicht, ebenso die Lehrer.
1.2 Entdeckung der Sinnlichkeit
Törleß schließt sich aus "Angst vor allzu subtilen Empfindeleien" Beineberg und Reiting an, deren Wesen ihm als "gesund, kernig und lebensecht" (S. 15) vorkommt. Grund für diese verhängnisvolle Gesellschaft sieht der Erzähler in Törleß' "Unselbstständigkeit" (15).
Auseinandersetzung mit der Welt des Sinnlichen. Sinnlichkeit bedeutet für Törleß nicht nur Triebhaftigkeit und Sexualität, sondern auch Phantasie, Empfänglichkeit für äußere Eindrücke, eine neue Art, die Wirklichkeit zu sehen und zu erfahren, die letztlich seine "Verwirrungen" bedingt. Törleß erkennt im Verlauf des Geschehens, dass diese Sinnlichkeit zu seiner Persönlichkeit gehört und sie aufwertet.
Besuch bei Bozena: diese Besuche waren "zu seiner einzigen und geheimen Freude geworden" (40): Anpassung an seine Kameraden; der Wunsch, der Einsamkeit zu entfliehen; Verlangen nach Abenteuer, Abwechslung, Verbotenem; erwachende Sexualität.
Bozena ist für ihn ein Knäuel aller geschlechtlichen Begehrlichkeiten und bringt seine Sexualtität zur Entfaltung. Bozena symbolisiert die Distanz zu der gepflegten bürgerlichen Welt der Eltern und ist die Kontrastfigur zu Törleß' Mutter. Sie füllt die nach dem Verlust der Mutter entstandene Einsamkeit aus. Der verbotene und verruchte Bereich bildet für ihn den notwendigen emotionalen und psychischen Gegenpol zur ordnungsgemäßen Schulausbildung.
Auseinandersetzung mit der Welt des Sinnlichen. Sinnlichkeit bedeutet für Törleß nicht nur Triebhaftigkeit und Sexualität, sondern auch Phantasie, Empfänglichkeit für äußere Eindrücke, eine neue Art, die Wirklichkeit zu sehen und zu erfahren, die letztlich seine "Verwirrungen" bedingt. Törleß erkennt im Verlauf des Geschehens, dass diese Sinnlichkeit zu seiner Persönlichkeit gehört und sie aufwertet.
Besuch bei Bozena: diese Besuche waren "zu seiner einzigen und geheimen Freude geworden" (40): Anpassung an seine Kameraden; der Wunsch, der Einsamkeit zu entfliehen; Verlangen nach Abenteuer, Abwechslung, Verbotenem; erwachende Sexualität.
Bozena ist für ihn ein Knäuel aller geschlechtlichen Begehrlichkeiten und bringt seine Sexualtität zur Entfaltung. Bozena symbolisiert die Distanz zu der gepflegten bürgerlichen Welt der Eltern und ist die Kontrastfigur zu Törleß' Mutter. Sie füllt die nach dem Verlust der Mutter entstandene Einsamkeit aus. Der verbotene und verruchte Bereich bildet für ihn den notwendigen emotionalen und psychischen Gegenpol zur ordnungsgemäßen Schulausbildung.
1.3 Die beiden Welten
Durch Bozenas anzügliche Bemerkungen über Damen der gehobenen Gesellschaft ahnt Törleß, dass auch seine Mutter etwas mit der niederen Sinnlichkeit zu tun haben könnte, die bis jetzt lediglich Bozena für ihn verkörperte.
Zwiespalt: Törleß kann Bozena und die Mutter nicht mehr voneinander trennen. Er fühlt sich zwischen zwei Welten zerrissen: einer soliden bürgerlichen und geregelten (Vernunft) und einer abenteuerlichen (Dunkelheit, Geheimnis, Blut, ungeahnte Überraschungen).
Die Existenz dieser zweiten Welt wird Törleß erst durch Basinis Diebstahl vollends bewusst. Verknüpfung Basinis mit Bozena. Beide sind Träger des gleichen Grunderlebnisses: Verbindung der beiden Welten. Keine schaf getrennten Bereiche, sondern Möglichkeiten des menschlichen Existierens, die in jedem angelegt sind.
Zwiespalt: Törleß kann Bozena und die Mutter nicht mehr voneinander trennen. Er fühlt sich zwischen zwei Welten zerrissen: einer soliden bürgerlichen und geregelten (Vernunft) und einer abenteuerlichen (Dunkelheit, Geheimnis, Blut, ungeahnte Überraschungen).
Die Existenz dieser zweiten Welt wird Törleß erst durch Basinis Diebstahl vollends bewusst. Verknüpfung Basinis mit Bozena. Beide sind Träger des gleichen Grunderlebnisses: Verbindung der beiden Welten. Keine schaf getrennten Bereiche, sondern Möglichkeiten des menschlichen Existierens, die in jedem angelegt sind.
1.4 Sexualität
Sexualität ist ein Beispiel für die Aufspaltung zweier menschlicher Bereiche. Eine homosexuelle Beziehung zu Basini wäre nicht entstanden, wenn Törleß sich nicht in einer sinnlichen und intellektuellen Krise befunden hätte.
Sexueller Objektwechsel: Mutter -> Phase der Einsamkeit -> Bozena -> er selbst (99) -> Basini.
Es geht nicht spezifisch um Homosexualität, sondern um die allgemeine Form der Sexualität: "Statt Basini könnte ein Weib stehen [...]."
Verbindung des sexuellen Motivs mit der Ästhetik. Der Erzähler vergleicht Basinis Schönheit mit den "nur schönen, von allem Geschlechtlichen noch fernen Formen eines jungen Mädchens" (155). Törleß kann sich "der Macht dieser Schönheit nicht entziehen". (140)
Vorübergehend verliert Törleß sich in dieser Welt der neuentdeckten Sinnlichkeit. Sie reißt ihm " mit einem Schlaf ein Tor zum Leben auf" (156). Phantasie und Wirklichkeit kann er nicht mehr unterscheiden: "alles in einem einzigen [...] Gefühl vereint, das er in der ersten Überrraschung wohl für Liebe nehmen mochte" (158).
Entfernung von Basini: Törleß erkennt, dass Basini "nicht mehr als ein stellvertretendes und vorläufiges Ziel" (155) seines Verlangens war. Sein "früheres Begehren" (156) "wuchs zu einem neuen, ziellosen Hunger über Basini hinaus" (155).
Später erkennt Törleß, dass Sinnlichkeit nur ein weiterer Versuch war, sein Ziel der Integration der beiden Welten zu erreichen. Nicht die Realität hat zwei Gesichter, sondern es gibt zwei Möglichkeiten, diese wahrzunehmen.
Sexueller Objektwechsel: Mutter -> Phase der Einsamkeit -> Bozena -> er selbst (99) -> Basini.
Es geht nicht spezifisch um Homosexualität, sondern um die allgemeine Form der Sexualität: "Statt Basini könnte ein Weib stehen [...]."
Verbindung des sexuellen Motivs mit der Ästhetik. Der Erzähler vergleicht Basinis Schönheit mit den "nur schönen, von allem Geschlechtlichen noch fernen Formen eines jungen Mädchens" (155). Törleß kann sich "der Macht dieser Schönheit nicht entziehen". (140)
Vorübergehend verliert Törleß sich in dieser Welt der neuentdeckten Sinnlichkeit. Sie reißt ihm " mit einem Schlaf ein Tor zum Leben auf" (156). Phantasie und Wirklichkeit kann er nicht mehr unterscheiden: "alles in einem einzigen [...] Gefühl vereint, das er in der ersten Überrraschung wohl für Liebe nehmen mochte" (158).
Entfernung von Basini: Törleß erkennt, dass Basini "nicht mehr als ein stellvertretendes und vorläufiges Ziel" (155) seines Verlangens war. Sein "früheres Begehren" (156) "wuchs zu einem neuen, ziellosen Hunger über Basini hinaus" (155).
Später erkennt Törleß, dass Sinnlichkeit nur ein weiterer Versuch war, sein Ziel der Integration der beiden Welten zu erreichen. Nicht die Realität hat zwei Gesichter, sondern es gibt zwei Möglichkeiten, diese wahrzunehmen.
1.5 Ethik und Ästhetik
Durch Basini gewinnt Törleß eine ästhetische Einstellung gegenüber dem Leben und der Wirklichkeit.
Reaktion auf Misshandlungen Basinis: Ekel und Faszination.
Törleß beteiligt sich verbal an den Quälereien, nach dem sexuellen Verhältnis verhält er sich passiv, bleibt in der Rolle eines unbeteiligten Beobachters, der das interessante Experiment verfolgt, wozu Menschen fähig sind.
Die Prügelszene nach Beinebergs gescheitertem Hypnose-Experiment widert ihn an. Er äußert seinen Unmut (179). Törleß lehnt das Verhalten Reitings und Beinebergs aus ästhetischen Gründen ab, aber auch wegen des fehlenden Erkenntnisgewinns. Ihr Verhalten trägt nicht mehr zu seiner Selbstfindung bei.
Auch Basini braucht er nicht mehr. er weist ihn, als dieser ihn um Hilfe anfleht und sich auf ihre Beziehung beruft, kalt zurück. Grundzug elitärer Unmenschlichkeit.
Reaktion auf Misshandlungen Basinis: Ekel und Faszination.
Törleß beteiligt sich verbal an den Quälereien, nach dem sexuellen Verhältnis verhält er sich passiv, bleibt in der Rolle eines unbeteiligten Beobachters, der das interessante Experiment verfolgt, wozu Menschen fähig sind.
Die Prügelszene nach Beinebergs gescheitertem Hypnose-Experiment widert ihn an. Er äußert seinen Unmut (179). Törleß lehnt das Verhalten Reitings und Beinebergs aus ästhetischen Gründen ab, aber auch wegen des fehlenden Erkenntnisgewinns. Ihr Verhalten trägt nicht mehr zu seiner Selbstfindung bei.
Auch Basini braucht er nicht mehr. er weist ihn, als dieser ihn um Hilfe anfleht und sich auf ihre Beziehung beruft, kalt zurück. Grundzug elitärer Unmenschlichkeit.
1.6 Sprachkrise und Motto
Törleß hat das Problem, Empfindungen und Erkenntnisse nicht adäquat ausdrücken zu können (S. Gespräch mit Mathematiklehrer, ..).
Parkerlebnis: Törleß schaut in den Himmel und bemerkt, "wie hoch" (87) er ist -> Offenbarung des verstandesmäßig unerklärlichen Wesen des Unendlichen als eine neue bedrohliche Erfahrungswirklichkeit.
Versagen der Worte. Unendlichkeit des Himmels: erkenntnistheoretische Problematik des Romans.
Schreibversuche: Törleß beginnt seine philosophischen Gedanken aufzuschreiben, um über sich selbst Klarheit zu gewinnen. Aber: "die geschriebenen Worte blieben tot." (131)
Überwindung der Sprachnot: Törleß leidet an der Unzugänglichkeit seines Inneren bis zu dem Punkt, an dem es ihm gelingt, den Lehrern sein Problem ansatzweise darzustellen. Die Überwindung der Sprachnot ist ein Zeichen seiner abgeschlossenen Entwicklungsphase. Törleß hat sich damit abgefunden, dass rationale Sprache nicht fähig ist, Erscheinungen, Erlebnisse und Gedanken mit angemessenen Begriffen wiederzugeben.
Motto: Das vorangestellte Zitat des belgischen Dichters Maurice Maeterlinck verdeutlicht diese skeptische Grundhaltung Musils der Sprache gegenüber. Sprache und Realität verhalten sich zueinander wie das Bruchstück zum Ganzen. Nur eine dichterisch-intuitive Erkenntnishaltung kann zum Ziel führen. Problematisierung der Sprache als Medium der Erkenntnis.
Parkerlebnis: Törleß schaut in den Himmel und bemerkt, "wie hoch" (87) er ist -> Offenbarung des verstandesmäßig unerklärlichen Wesen des Unendlichen als eine neue bedrohliche Erfahrungswirklichkeit.
Versagen der Worte. Unendlichkeit des Himmels: erkenntnistheoretische Problematik des Romans.
Schreibversuche: Törleß beginnt seine philosophischen Gedanken aufzuschreiben, um über sich selbst Klarheit zu gewinnen. Aber: "die geschriebenen Worte blieben tot." (131)
Überwindung der Sprachnot: Törleß leidet an der Unzugänglichkeit seines Inneren bis zu dem Punkt, an dem es ihm gelingt, den Lehrern sein Problem ansatzweise darzustellen. Die Überwindung der Sprachnot ist ein Zeichen seiner abgeschlossenen Entwicklungsphase. Törleß hat sich damit abgefunden, dass rationale Sprache nicht fähig ist, Erscheinungen, Erlebnisse und Gedanken mit angemessenen Begriffen wiederzugeben.
Motto: Das vorangestellte Zitat des belgischen Dichters Maurice Maeterlinck verdeutlicht diese skeptische Grundhaltung Musils der Sprache gegenüber. Sprache und Realität verhalten sich zueinander wie das Bruchstück zum Ganzen. Nur eine dichterisch-intuitive Erkenntnishaltung kann zum Ziel führen. Problematisierung der Sprache als Medium der Erkenntnis.
1.7 Die imaginären Zahlen und Kant
Problem mit den imaginären Zahlen: Mathematik verkörperte für Törleß bisher logische Operationen in einer überschaubaren Welt. Ihm ist nun völlig unverständlich, "dass man mit solchen imaginären oder sonst wie unmöglichen Werten ganz wirklich rechnen kann und zum Schluss ein greifbares Resultat vorhanden ist" (104).
Törleß spürt, dass Definitionen Gefühle nicht ausdrücken können. Er erkennt an diesem mathematischen Problem, dass auch die rationalste Wissenschaft anscheinend nicht frei von irrationalen Elementen ist.
Das Gespräch mit dem Mathematiklehrer ist unbefriedigend. Dieser verweist Törleß am Ende der ergebnislosen Diskussion auf Kant (109), mit der Bemerkung, in dessen philosophischem Werk fänden sich die gleichen "Denknotwendigkeiten" wie in der Mathematik.
Törleß versucht, Kant zu lesen, versteht ihn jedoch nicht.
Traum von Kant: Veranschaulichung von Vernungt und Sinnlichkeit. "Seidene Decke, die über die Haut eines nackten Körpers hinuntergleitete" (121) -> Das Verschwinden der Vernunft entkleidet den Körper seines Schutzes. Unter der Vernunft liegt das Begehren.
Zwiespältige Empfindungen: Törleß sieht noch keinen Zusammenhang zwischen der geistigen und der sinnlichen Welt.
Törleß spürt, dass Definitionen Gefühle nicht ausdrücken können. Er erkennt an diesem mathematischen Problem, dass auch die rationalste Wissenschaft anscheinend nicht frei von irrationalen Elementen ist.
Das Gespräch mit dem Mathematiklehrer ist unbefriedigend. Dieser verweist Törleß am Ende der ergebnislosen Diskussion auf Kant (109), mit der Bemerkung, in dessen philosophischem Werk fänden sich die gleichen "Denknotwendigkeiten" wie in der Mathematik.
Törleß versucht, Kant zu lesen, versteht ihn jedoch nicht.
Traum von Kant: Veranschaulichung von Vernungt und Sinnlichkeit. "Seidene Decke, die über die Haut eines nackten Körpers hinuntergleitete" (121) -> Das Verschwinden der Vernunft entkleidet den Körper seines Schutzes. Unter der Vernunft liegt das Begehren.
Zwiespältige Empfindungen: Törleß sieht noch keinen Zusammenhang zwischen der geistigen und der sinnlichen Welt.
1.8 Exklusivität und Selbstfindung
Törleß hat während des gesamten Geschehens das Gefühl, auf Grund seiner Sensibilität, der "außerordentlichen Empfindlichkeit" (125) seines Wesens, etwas Besonderes zu sein und Welt und Menschen in einmaliger Weise zu sehen. Er glaubt, eine besondere Persönlichkeit zu besitzen. Er hat Empfindungen, Gedanken und Probleme, die andere nicht kennen. Dinge, die ihn befremden, die den anderen alltäglich erscheinen.
Er ist auf die besondere Art seiner Sinnlichkeit stolz.
Törleß muss seine "Verwirrungen" erkenntnistheoretischer, emotionaler, sexueller, ästhetischer und sprachlicher Art überwinden, um sich selbst zu finden.
Rede vor den Lehrern: Die Sprachnot ist weitgehend überwunden. Törleß quälen keine Schuldgefühle Basini gegenüber. Deswegen kann er das Ergebnis seiner Entwicklung in ausgeprägter Rhetorik vortragen. (192)
Törleß hat den Dualismus der beiden Welten überwunden. Er erkennt, dass es allein die "wechselnde seelische Perspektive" (198) ist, die die Welt fragwürdig erscheinen lässt.
Identitätsfindung: Törleß ist in einem Zustand der "kühlen Gelassenheit", als die Mutter ihn abholt. Er hat den Bereich der Sexualität voll in seine Identität integriert und kann nun auch seine Mutter als sexuelles Wesen sehen.
Törleß ist zu einer stark ichbezogenen, selbstbewussten, ästhetischorientierten Persönlichkeit gereift. Er hat seine "Verwirrungen" überwunden. Er fühlte sich im Institut "nicht mehr auf seinem Platz" (197) wegen seiner neuen Erkenntnishaltung und seines Exklusivitätsbewusstseins.
Er ist auf die besondere Art seiner Sinnlichkeit stolz.
Törleß muss seine "Verwirrungen" erkenntnistheoretischer, emotionaler, sexueller, ästhetischer und sprachlicher Art überwinden, um sich selbst zu finden.
Rede vor den Lehrern: Die Sprachnot ist weitgehend überwunden. Törleß quälen keine Schuldgefühle Basini gegenüber. Deswegen kann er das Ergebnis seiner Entwicklung in ausgeprägter Rhetorik vortragen. (192)
Törleß hat den Dualismus der beiden Welten überwunden. Er erkennt, dass es allein die "wechselnde seelische Perspektive" (198) ist, die die Welt fragwürdig erscheinen lässt.
Identitätsfindung: Törleß ist in einem Zustand der "kühlen Gelassenheit", als die Mutter ihn abholt. Er hat den Bereich der Sexualität voll in seine Identität integriert und kann nun auch seine Mutter als sexuelles Wesen sehen.
Törleß ist zu einer stark ichbezogenen, selbstbewussten, ästhetischorientierten Persönlichkeit gereift. Er hat seine "Verwirrungen" überwunden. Er fühlte sich im Institut "nicht mehr auf seinem Platz" (197) wegen seiner neuen Erkenntnishaltung und seines Exklusivitätsbewusstseins.
2.0 Gesellschaftskritik
Der Roman stellt nicht nur Törleß' individuelle Irritationen und Konflikte dar, sondern enthält deutliche gesellschaftskritische Aspekte. Sie beziehen sich hauptsächlich auf die autoritäre Erziehung und ihre Folgen, wie sie das "Konvikt zu W." widerspiegelt.
Bildungsziel ist die Reproduktion der gesellschaftlichen Normen: soldatische und militärische Tugenden, Fixierung auf Autoritätsgläubigkeit, Gehorsam und Pflichterfüllung.
Die meist adlige Herkunft der jungen Menschen spiegelt die Hierarchie in der Führungselite der österreich-ungarischen Monarchie wider. (Beineberg mittlerer Adel, Reiting möglicherweise hoher Adel, Törleß Großbürgertum, Basini adelig, aber wegen wirtschaftlicher Probleme im unteren Bereich der Hierarchie)
Die Abgeschlossenheit von der Gesellschaft ("kleine Stadt [...] weitab von der Residenz") begünstigt negative Entwicklungen.Dazu gehören eine repressiv-autoritäre Erziehung sowie die Nivellierung (Gleichmachung) und Unterdrückung individuellen Denkens und Empfindens.
Tabuisierung der Sexualität: Die Zöglinge werden mit ihren pubertären Problemen alleine gelassen. Die Gesellschaft gibt keine Verhaltenshilfen, sonder reagiert mit Triebkontrolle und -unterdrückung. Die Folgen: "Dort, wo die jungen aufdrängenden Kräfte hinter grauen Mauern festgehalten wurden, stauen sie die Phantasie voll wahllos wollüstiger Bilder, die manchem die Besinnung rauben" (161).
Folgen der Tabuisierung: Spaltung des Frauenbildes. Törleß sieht anfangs seine Mutter als ein völlig anderes Wesen als Bozena. Diese wird als käufliche Sache behandelt und aus der Gesellschaft ausgegrenzt, was ihre entlegene Wohnung verdeutlicht. Erst am Ende des Geschehens gelingt Törleß die Integration der beiden Bereiche und damit die Klärung seiner sinnlichen "Verwirrungen".
Ersatzhandlungen: Aggressionspotenzial in Reiting und Beineberg. Sie übertragen die an sich selbst erfahrenen Erziehungsprinzipien auf Schwächere. Daraus resultiert die sadistisch pervertierte Quälerei Basinis. Basini wird nicht mehr als Mensch, sonder als "Sache" gesehen, die zu homosexuellen Dienstleistungen gezwungen werden kann. Diese "Sache" wird am Ende von der Führungsclique den manipulierten Mitschülern ausgeliefert, wozu alle zu Mittätern werden. Basinis Versklavung, seine Misshandlung und sein Ausschluss aus der Anstalt sind Kritik an einer Gesellschaftsform, die den Menschen den Dingen gleichmacht und die auftretende soziale Konflikte als individuelle Konflikte begreift und damit privatisiert und abschiebt.
Verhalten der Lehrer: Versagen. Törleß beurteilt sie als "ältere Leute" und "lächerliche Figuren" (193), "die von den Zuständen des menschlichen Inneren [...] wenig zu wissen schienen" (193). Ironisch ist von der "ehrbar verkümmerten Erscheinung der meisten Lehrer" die Rede, mit "schmalen Schultern, mit spitzen Bäuchen auf dünnen Beinen und mitAugen, die hinter ihren Brillen harmlos wie Schäfchen weiden" (161).
Diese Harmlosigkeit zeigt sich in ihren schlichten Kommentaren während des Verhörs, als der Direktor und drei Lehrer versuchen, Törleß' Äußerungen in ihre gewohnten Kategorien einzuordnen. In dieser existentiell wichtigen Situation sind die Lehrer ihren Schülern hoffnungslos unterlegen.
Beineberg und Reiting wachsen als intelligente Drahtzieher über ihre hilflosen Erzieher hinaus, indem sie deren moralische Argumente benutzen, um sie zu täuschen. Umdrehung des Sachverhaltes. Verweisung auf Besserungsversuche: Mitleid mit einem fehlbaren jungen Menschen, "gütliche Belehrungen" und Schonungsversuche "aus den edelsten Empfindungen" heraus hätten leider keinen Erfolg gehabt, sonder zu "gemeinstem Hohn" (189) geführt. Deshalb sei es verständlicherweise zu einem "Überschäumen" (189) ihres Verhaltens gekommen.
Der Erzähler beurteilt das Geschehen als "wohlverabredete Komödie", bei der "alle ethischen Töne [...] zur Entschuldigung angeschlagen wurden, welche in den Ohren der Erzieher Wert haben" (189). Das Opfer wird zum Täter, die Täter stellen sich als Opfer dar.
Der Roman schließt pessimistisch: "In der Schule ging alles den gewohnten Gang" (197). Die Erwachsenen haben aus den Vorkommnissen nichts gelernt und sie nicht einmal begriffen. Törleß dagegen flieht aus der Welt gesellschaftlichen Handelns und Misshandelns in ein schöngeistiges, isoliertes und exklusives Künstlerdasein.
Musil hat in Beinebergs und Reitings Verhalten die sexuelle Komponente des Machttriebes verdeutlicht. Auch Törleß sieht den Zusammenhang: Er fordert Basini auf, ihm über Reitings und Beinebergs Tun "alles zu erzählen" (141). Sein Wissen über ihre sexuellen Handlungen verleiht ihm Macht über sie.
In abgeschwächter Form wird dieser Zusammenhang von Sexualität und Macht schon zu Beginn des Geschehens deutlich, als die sozial verachtete Bozena durch ihre käufliche Sexualität Macht über die adligen Zöglinge gewinnt.
Rückblickend gesehen kritisiert der Roman nicht nur das Verhalten der österreichisch-ungarischen Gesellschaft der Jahrhundertwende und ihr Erziehungssystem. Vorgeschichte der Diktaturen des 20. Jahrhunderts. Methodik der Konzentrationslager.
Bildungsziel ist die Reproduktion der gesellschaftlichen Normen: soldatische und militärische Tugenden, Fixierung auf Autoritätsgläubigkeit, Gehorsam und Pflichterfüllung.
Die meist adlige Herkunft der jungen Menschen spiegelt die Hierarchie in der Führungselite der österreich-ungarischen Monarchie wider. (Beineberg mittlerer Adel, Reiting möglicherweise hoher Adel, Törleß Großbürgertum, Basini adelig, aber wegen wirtschaftlicher Probleme im unteren Bereich der Hierarchie)
Die Abgeschlossenheit von der Gesellschaft ("kleine Stadt [...] weitab von der Residenz") begünstigt negative Entwicklungen.Dazu gehören eine repressiv-autoritäre Erziehung sowie die Nivellierung (Gleichmachung) und Unterdrückung individuellen Denkens und Empfindens.
Tabuisierung der Sexualität: Die Zöglinge werden mit ihren pubertären Problemen alleine gelassen. Die Gesellschaft gibt keine Verhaltenshilfen, sonder reagiert mit Triebkontrolle und -unterdrückung. Die Folgen: "Dort, wo die jungen aufdrängenden Kräfte hinter grauen Mauern festgehalten wurden, stauen sie die Phantasie voll wahllos wollüstiger Bilder, die manchem die Besinnung rauben" (161).
Folgen der Tabuisierung: Spaltung des Frauenbildes. Törleß sieht anfangs seine Mutter als ein völlig anderes Wesen als Bozena. Diese wird als käufliche Sache behandelt und aus der Gesellschaft ausgegrenzt, was ihre entlegene Wohnung verdeutlicht. Erst am Ende des Geschehens gelingt Törleß die Integration der beiden Bereiche und damit die Klärung seiner sinnlichen "Verwirrungen".
Ersatzhandlungen: Aggressionspotenzial in Reiting und Beineberg. Sie übertragen die an sich selbst erfahrenen Erziehungsprinzipien auf Schwächere. Daraus resultiert die sadistisch pervertierte Quälerei Basinis. Basini wird nicht mehr als Mensch, sonder als "Sache" gesehen, die zu homosexuellen Dienstleistungen gezwungen werden kann. Diese "Sache" wird am Ende von der Führungsclique den manipulierten Mitschülern ausgeliefert, wozu alle zu Mittätern werden. Basinis Versklavung, seine Misshandlung und sein Ausschluss aus der Anstalt sind Kritik an einer Gesellschaftsform, die den Menschen den Dingen gleichmacht und die auftretende soziale Konflikte als individuelle Konflikte begreift und damit privatisiert und abschiebt.
Verhalten der Lehrer: Versagen. Törleß beurteilt sie als "ältere Leute" und "lächerliche Figuren" (193), "die von den Zuständen des menschlichen Inneren [...] wenig zu wissen schienen" (193). Ironisch ist von der "ehrbar verkümmerten Erscheinung der meisten Lehrer" die Rede, mit "schmalen Schultern, mit spitzen Bäuchen auf dünnen Beinen und mitAugen, die hinter ihren Brillen harmlos wie Schäfchen weiden" (161).
Diese Harmlosigkeit zeigt sich in ihren schlichten Kommentaren während des Verhörs, als der Direktor und drei Lehrer versuchen, Törleß' Äußerungen in ihre gewohnten Kategorien einzuordnen. In dieser existentiell wichtigen Situation sind die Lehrer ihren Schülern hoffnungslos unterlegen.
Beineberg und Reiting wachsen als intelligente Drahtzieher über ihre hilflosen Erzieher hinaus, indem sie deren moralische Argumente benutzen, um sie zu täuschen. Umdrehung des Sachverhaltes. Verweisung auf Besserungsversuche: Mitleid mit einem fehlbaren jungen Menschen, "gütliche Belehrungen" und Schonungsversuche "aus den edelsten Empfindungen" heraus hätten leider keinen Erfolg gehabt, sonder zu "gemeinstem Hohn" (189) geführt. Deshalb sei es verständlicherweise zu einem "Überschäumen" (189) ihres Verhaltens gekommen.
Der Erzähler beurteilt das Geschehen als "wohlverabredete Komödie", bei der "alle ethischen Töne [...] zur Entschuldigung angeschlagen wurden, welche in den Ohren der Erzieher Wert haben" (189). Das Opfer wird zum Täter, die Täter stellen sich als Opfer dar.
Der Roman schließt pessimistisch: "In der Schule ging alles den gewohnten Gang" (197). Die Erwachsenen haben aus den Vorkommnissen nichts gelernt und sie nicht einmal begriffen. Törleß dagegen flieht aus der Welt gesellschaftlichen Handelns und Misshandelns in ein schöngeistiges, isoliertes und exklusives Künstlerdasein.
Musil hat in Beinebergs und Reitings Verhalten die sexuelle Komponente des Machttriebes verdeutlicht. Auch Törleß sieht den Zusammenhang: Er fordert Basini auf, ihm über Reitings und Beinebergs Tun "alles zu erzählen" (141). Sein Wissen über ihre sexuellen Handlungen verleiht ihm Macht über sie.
In abgeschwächter Form wird dieser Zusammenhang von Sexualität und Macht schon zu Beginn des Geschehens deutlich, als die sozial verachtete Bozena durch ihre käufliche Sexualität Macht über die adligen Zöglinge gewinnt.
Rückblickend gesehen kritisiert der Roman nicht nur das Verhalten der österreichisch-ungarischen Gesellschaft der Jahrhundertwende und ihr Erziehungssystem. Vorgeschichte der Diktaturen des 20. Jahrhunderts. Methodik der Konzentrationslager.
Abonnieren
Posts (Atom)