Freitag, 1. Mai 2009

6. Sprachliche Mittel

Was Törleß bedrängt, kann er nicht oder nur schwer in Worte fassen. Als ihn der Direktor bei der Schilderung seiner Erlebnisse um Präzision des Ausdrucks bittet, entgegnet er: "Es ist etwas Dunkles in mir, [...] das sich nicht in Worten ausdrückt und das doch mein Leben ist" (196).
Tastende Sprache: Sie kann ihren Gegenstand nicht einfach begrifflich fixieren, sondern betastet ihn mit den Worten. Oft bei der Beschreibung von Gefühlen. Der Erzähler spricht von "einer Art Sehnsucht" (14), "einer Art Scham" (28) oder "einer Art Neid" (105). Törleß fühlt "etwas wie Zorn und Eifersucht" (94), als Beineberg und Reiting ohne ihn verhandeln.
In diesen Zusammenhang gehören Worte, welche die klare Bezeichnung von Sachverhalten vermeiden und unbestimmte Ahnungen ausdrücken, wie z.B. "etwas", "scheinen", "vielleicht", "wohl", "irgend".
Vergleiche: Sie dienen der Verdeutlichung eines Sachverhalts, der Erhöhung der Anschaulichkeit und der Bedeutungsverdichtung. Törleß selbst verwendet die meisten Vergleiche, weil er am meisten Schwierigkeiten hat, das Unsagbare auszudrücken.
Die Vergleiche dienen oft dazu, nicht die Dinge selbst zu bezeichnen, sondern die Empfindungen, die sie in Törleß auslösen. Sie versuchen das Unsagbare sagbar zu machen.
Metaphern: Zur Veranschaulichung des Gemeinten und damit ebenfalls zur Annäherung an das Unsagbare. Eine grundlegende Metapher des Romans mit symbolischer Bedeutung bringt den Entwicklungs- und Reifeprozess von Törleß zum Ausdruck: die des Baumes, der Wurzeln zu schlagen versucht.
Törleß fühlt sich im Internat "verarmt und kahl, wie ein Bäumchen, das nach der noch fruchtlosen Blüte den ersten Winter erlebt" (11). Die Einsamkeit hat für Törleß' Seele die Bedeutung, "als ob sich ihre Wurzeln erst suchend senken und den Boden zerwühlen müssten, den sie nachher zu stützen bestimmt sind" (33). "bild des Gärtners, der jeden Morgen seine beete gießt" (182), "die Seele hatte einen neuen Jahresring angesetzt" (187), "Nur einer Erschütterung der Seele hatte es für Törleß bedurft, um diesen letzten Trieb zur Höhe zu treiben" (195). Zu dieser Wachstums- und Reifungssymbolik passt die Bezeichnung "Zögling". Der Begriff verweist auf die Bedeutung des körperlichen und psychischen Wachstums eines Menschen.
Interpunktion: Ein häufiges Satzzeichen im Roman sind Auslassungspunkte. Sie deuten meist auf unausgesprochene Gedanken oder Gefühle hin, die über das Ausgesagte hinausführen.
Auslassungespunkte und manchmal auch Gedankenstriche steigern den Eindruck des Nicht-Beschreibbaren seelischer Stimmungen.
Die Form des Romans spiegelt dessen Problematik, nämlich das Unvermögen, die Welt des Gefühls und der Sinnlichkeit sprachlich angemessen und anschaulich wiederzugeben.

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