Freitag, 1. Mai 2009

3. Raumgestaltung und -symbolik

Musil beschränkt sich auf wenige Schauplätze, die symbolische Bedeutung haben, aber auch Stimmungen widerspiegeln.
Orte rationaler Wahrnehmung sind gekennzeichnet durch Überschaubarkeit und Kontrollierbarkeit: Zimmer des Mathematiklehrers.
Bahnstation: Verbindet Anfang und Ende und rundet somit Törleß' Entwicklungsphase äußerlich ab. Der Leser lernt fast alle Personen kennen, die später eine Rolle spielen. Spiegelt Stimmungen. Es wird auf die Unendlichkeit dieser Strecke verwiesen, wohin "endlos gerade [...] vier parallele Eisenstränge nach beiden Seiten" (7) führen. Dem Leser wird auf diese Weise der Durchgangscharakter dieses Lebensabschnitts angedeutet. Die kleine Station verweist auf den dargestellten kurzen Lebensabschnitt.
Orte irrationaler Wahrnehmung sind gekennzeichnet durch Unüberschaubarkeit, Dunkelheit und Unkontrollierbarkeit: das Dorf (Gebäude und Bewohner vermitteln eine "tierische, drückende Atmosphäre (22), von der Törleß "wie mit Krallen" (23) ergriffen wird).
Weg zu Bozena: Die Schüler verlassen die "innere Stadt", den Bereich des Hellen, Bürgerlichen, und gehen zum dunklen Fluss. Gang der Zöglinge in der Dunkelheit wird mit dem Eindringen in den Bereich des Triebhaften, Sexuellen verbunden. Vor dem "Wühlen seiner dunklen Leidenschaften" (44) will sich Törleß retten, indem er an die "hellen Räume der elterlichen Wohnung" (44) denkt.
Orte mit ambivalenter Bedeutung: Park. Einerseits Bild für die vom Menschen angelegte, gepflegte und beherrschte Landschaft. Vermittelt Geborgenheit. Andererseits gehört er auch zum irrationalen Bereich: Törleß' Unendlichkeitserlebnis. Törleß hat seine Kindheit verlassen, ist aber der neuen Wirklichkeit der Erwachsenen gegenüber noch hilflos. Diese Eingrenzung seiner bisherigen endlichen Kinderwelt und die Unsicherheit angesichts einer grenzenlosen neuen Wirklichkeit bringen ihn in Verwirrung.
Konvikt: Zentraler Ort rationaler Wirklichkeitswahrnehmung. Es soll ein Ort der Konzentration und Abgeschlossenheit sein. Irrationale Seite: Bereich des winkligen Dachbodens mit der Roten Kammer veranschaulicht in seiner Unübersichtlichkeit und Undurchschaubarkeit die Perversität des Denkens und der Ereignisse, die sich dort abspielen. Symbol für die verborgenen und unterdrückten Triebe der Menschen. Törleß erlebt in ihr die düsteren Seiten menschlichen Wesens und erfährt hier in besonderem Maße, dass die Grenze zwischen den beiden Welten "jeden Augenblick überschreitbar" (65) zu sein scheint.

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